Franz‘ Kapelle
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Re: Franz‘ Kapelle
Jesus selbst ist die Gabe, Er ist „das Leben“.
Jesus ist „Proexistenz“.
Somit haben wir 3 Worte gefunden, in denen Jesus das Geheimnis seiner selbst zugleich verbirgt und entbirgt:
„Menschensohn“, „Sohn“, „ich bin“.
Alle 3 Worte wurzeln im AT, der Bibel Israels, im Wort Gottes.
Auf Jesus hin sind sie vollzogen.
Alle 3 sind in Seinem Mund möglich:
Zentral das Gebetswort „Sohn“, dem die Anrede „Abba“ korrespondiert.
Den Inhalt aller 3 Worte mit dem Zentrum „der Sohn“ hat die werdende Kirche in das Wort „Sohn Gottes“ hineingelegt, das sie damit von seiner mythologischen und politischen Vorgeschichte definitiv löste.
Auf dem Boden der Erwählungstheologie Israels erhält es nun eine ganz neue Bedeutung, die von Jesu` Reden als der Sohn und als der„Ich bin“ vorgezeichnet ist.
Dazu diente das 1. Konzil von Nizäa( 325 n. Chr.):
Das Wort „homoousios“= gleichwesentlich.
Im Bekenntnis von Nizäa sagt die Kirche immer neu mit Petrus zu Jesus:
„Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“
( Mt 16,16 )
Jesus ist „Proexistenz“.
Somit haben wir 3 Worte gefunden, in denen Jesus das Geheimnis seiner selbst zugleich verbirgt und entbirgt:
„Menschensohn“, „Sohn“, „ich bin“.
Alle 3 Worte wurzeln im AT, der Bibel Israels, im Wort Gottes.
Auf Jesus hin sind sie vollzogen.
Alle 3 sind in Seinem Mund möglich:
Zentral das Gebetswort „Sohn“, dem die Anrede „Abba“ korrespondiert.
Den Inhalt aller 3 Worte mit dem Zentrum „der Sohn“ hat die werdende Kirche in das Wort „Sohn Gottes“ hineingelegt, das sie damit von seiner mythologischen und politischen Vorgeschichte definitiv löste.
Auf dem Boden der Erwählungstheologie Israels erhält es nun eine ganz neue Bedeutung, die von Jesu` Reden als der Sohn und als der„Ich bin“ vorgezeichnet ist.
Dazu diente das 1. Konzil von Nizäa( 325 n. Chr.):
Das Wort „homoousios“= gleichwesentlich.
Im Bekenntnis von Nizäa sagt die Kirche immer neu mit Petrus zu Jesus:
„Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“
( Mt 16,16 )
Franz- Giga User
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Re: Franz‘ Kapelle
Jesus zeigt uns den Weg, und dieser Weg ist die Wahrheit. Er selbst ist beides und daher auch das Leben, nach dem wir alle Ausschau halten. Er zeigt auch den Weg über den Tod hinaus; erst wer das kann, ist ein wirklicher Meister des Lebens. Dies Gleiche wird im Bild des Hirten anschaulich. Wie beim Bild des Philosophen, so konnte die frühe Kirche auch bei der Gestalt des Hirten an bestehende Vorbilder römischer Kunst anknüpfen. Der Hirte war dort weitgehend Ausdruck des Traums vom heiteren und einfachen Leben, nach dem sich die Menschen in der Wirrnis der Großstadt sehnten. Nun wurde das Bild von einem neuen Hintergrund her gelesen, der ihm einen tieferen Inhalt gab: ,,Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir fehlen. Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir...’’ (Ps 23 [22], 1.4). Der wirkliche Hirt ist derjenige, der auch den Weg durch das Tal des Todes kennt; der auf der Straße der letzten Einsamkeit, in der niemand mich begleiten kann, mit mir geht und mich hindurchführt: Er hat sie selbst durchschritten, diese Straße; ist hinabgestiegen in das Reich des Todes, hat ihn besiegt und ist wiedergekommen, um uns nun zu begleiten und uns Gewißheit zu geben, daß es mit ihm zusammen einen Weg hindurch gibt. Dieses Bewußtsein, daß es den gibt, der auch im Tod mich begleitet und mit seinem ,,Stock und Stab mir Zuversicht’’ gibt, so daß ich ,,kein Unheil zu fürchten’’ brauche (Ps 23 [22], 4) – dies war die neue ,,Hoffnung’’, die über dem Leben der Glaubenden aufging.
Franz- Giga User
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Re: Franz‘ Kapelle
,,Glaube ist Hypostase dessen, was man hofft; der Beweis von Dingen, die man nicht sieht.’’ Für die Väter und für die Theologen des Mittelalters war klar, daß das griechische Wort hypostasis im Lateinischen mit substantia zu übersetzen war. So lautet denn auch die in der alten Kirche entstandene lateinische Übertragung des Textes: ,,Est autem fides sperendarum substantia rerum, argumentum non apparentium’’ – der Glaube ist die ,,Substanz’’ der Dinge, die man erhofft; Beweis für nicht Sichtbares. Thomas von Aquin 4 erklärt das, indem er sich der Terminologie der philosophischen Tradition bedient, in der er steht, so: Der Glaube ist ein ,,habitus’’, das heißt eine dauernde Verfaßtheit des Geistes, durch die das ewige Leben in uns beginnt und der den Verstand dahin bringt, solchem beizustimmen, was er nicht sieht.
Der Begriff der ,,Substanz’’ ist also dahin modifiziert, daß in uns durch den Glauben anfanghaft, im Keim könnten wir sagen – also der ,,Substanz’’ nach –, das schon da ist, worauf wir hoffen: das ganze, das wirkliche Leben. Und eben darum, weil die Sache selbst schon da ist, schafft diese Gegenwart des Kommenden auch Gewißheit: Dies Kommende ist noch nicht in der äußeren Welt zu sehen (es ,,erscheint’’ nicht), aber dadurch, daß wir es in uns als beginnende und dynamische Wirklichkeit tragen, entsteht schon jetzt Einsicht. Luther, dem der Hebräer-Brief an sich nicht besonders sympathisch war, konnte mit dem Begriff ,,Substanz’’ im Zusammenhang seiner Sicht von Glauben nichts anfangen. Er hat daher das Wort Hypostase/Substanz nicht im objektiven Sinn (anwesende Realität in uns), sondern im subjektiven Sinn, als Ausdruck einer Haltung verstanden und dann natürlich auch das Wort argumentum als Haltung des Subjekts verstehen müssen. Diese Auslegung hat sich – jedenfalls in Deutschland – im 20. Jahrhundert auch in der katholischen Exegese durchgesetzt, so daß die von den Bischöfen gebilligte Einheitsübersetzung des Neuen Testaments schreibt: ,,Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von dem, was man nicht sieht.’’
Das ist an sich nicht falsch, entspricht aber nicht dem Sinn des Textes, denn das verwendete griechische Wort (elenchos) hat nicht die subjektive Bedeutung von ,,Überzeugung’’, sondern die objektive Wertigkeit von ,,Beweis’’. Darum ist die neuere evangelische Exegese mit Recht zu einer anderen Auffassung gelangt: ,,Es kann aber jetzt nicht mehr zweifelhaft sein, daß diese klassisch gewordene protestantische Auslegung unhaltbar ist’’.5 Der Glaube ist nicht nur ein persönliches Ausgreifen nach Kommendem, noch ganz und gar Ausständigem; er gibt uns etwas. Er gibt uns schon jetzt etwas von der erwarteten Wirklichkeit, und diese gegenwärtige Wirklichkeit ist es, die uns ein ,,Beweis’’ für das noch nicht zu Sehende wird. Er zieht Zukunft in Gegenwart herein, so daß sie nicht mehr das reine Noch- nicht ist. Daß es diese Zukunft gibt, ändert die Gegenwart; die Gegenwart wird vom Zukünftigen berührt, und so überschreitet sich Kommendes in Jetziges und Jetziges in Kommendes hinein.
Benedikt XVI.
Der Begriff der ,,Substanz’’ ist also dahin modifiziert, daß in uns durch den Glauben anfanghaft, im Keim könnten wir sagen – also der ,,Substanz’’ nach –, das schon da ist, worauf wir hoffen: das ganze, das wirkliche Leben. Und eben darum, weil die Sache selbst schon da ist, schafft diese Gegenwart des Kommenden auch Gewißheit: Dies Kommende ist noch nicht in der äußeren Welt zu sehen (es ,,erscheint’’ nicht), aber dadurch, daß wir es in uns als beginnende und dynamische Wirklichkeit tragen, entsteht schon jetzt Einsicht. Luther, dem der Hebräer-Brief an sich nicht besonders sympathisch war, konnte mit dem Begriff ,,Substanz’’ im Zusammenhang seiner Sicht von Glauben nichts anfangen. Er hat daher das Wort Hypostase/Substanz nicht im objektiven Sinn (anwesende Realität in uns), sondern im subjektiven Sinn, als Ausdruck einer Haltung verstanden und dann natürlich auch das Wort argumentum als Haltung des Subjekts verstehen müssen. Diese Auslegung hat sich – jedenfalls in Deutschland – im 20. Jahrhundert auch in der katholischen Exegese durchgesetzt, so daß die von den Bischöfen gebilligte Einheitsübersetzung des Neuen Testaments schreibt: ,,Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von dem, was man nicht sieht.’’
Das ist an sich nicht falsch, entspricht aber nicht dem Sinn des Textes, denn das verwendete griechische Wort (elenchos) hat nicht die subjektive Bedeutung von ,,Überzeugung’’, sondern die objektive Wertigkeit von ,,Beweis’’. Darum ist die neuere evangelische Exegese mit Recht zu einer anderen Auffassung gelangt: ,,Es kann aber jetzt nicht mehr zweifelhaft sein, daß diese klassisch gewordene protestantische Auslegung unhaltbar ist’’.5 Der Glaube ist nicht nur ein persönliches Ausgreifen nach Kommendem, noch ganz und gar Ausständigem; er gibt uns etwas. Er gibt uns schon jetzt etwas von der erwarteten Wirklichkeit, und diese gegenwärtige Wirklichkeit ist es, die uns ein ,,Beweis’’ für das noch nicht zu Sehende wird. Er zieht Zukunft in Gegenwart herein, so daß sie nicht mehr das reine Noch- nicht ist. Daß es diese Zukunft gibt, ändert die Gegenwart; die Gegenwart wird vom Zukünftigen berührt, und so überschreitet sich Kommendes in Jetziges und Jetziges in Kommendes hinein.
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Franz- Giga User
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Re: Franz‘ Kapelle
34. Vers des 10. Kapitels im Hebräer-Brief ansehen, der in einem sprachlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit dieser Definition des hoffenden Glaubens steht, sie vorbereitet. Der Verfasser spricht hier zu Gläubigen, die die Erfahrung der Verfolgung mitgemacht haben und sagt zu ihnen: ,,Ihr habt mit den Gefangenen gelitten und auch den Raub eures Vermögens (hyparchonton – Vg: bonorum; italienische Übersetzung: sostanza) freudig hingenommen, da ihr wußtet, daß ihr einen besseren Besitz (hyparxin – Vg: substantiam; italienisch: beni migliori) habt, der euch bleibt.’’ Hyparchonta sind der Besitz, das, was beim irdischen Leben ,,Unterhalt’’, eben Basis, ,,Substanz’’ des Lebens ist, auf die man sich verläßt. Diese ,,Substanz’’, die gewöhnliche Lebenssicherung ist den Christen in der Verfolgung genommen worden. Sie ertrugen dies, weil sie diese materielle Substanz ohnedies als fragwürdig ansahen. Sie konnten sie lassen, weil sie nun eine bessere ,,Basis’’ ihrer Existenz gefunden hatten – eine, die bleibt und die einem niemand wegnehmen kann. Die Querverbindung zwischen diesen beiden Arten von ,,Substanz’’, von Unterhalt und materieller Basis hin zum Wort vom Glauben als ,,Basis’’, als ,,Substanz’’, die bleibt, ist nicht zu übersehen. Der Glaube gibt dem Leben eine neue Basis, einen neuen Grund, auf dem der Mensch steht, und damit wird der gewöhnliche Grund, eben die Verläßlichkeit des materiellen Einkommens relativiert.
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Re: Franz‘ Kapelle
Es entsteht eine neue Freiheit gegenüber diesem nur scheinbar tragenden Lebensgrund, dessen normale Bedeutung damit natürlich nicht geleugnet ist. Diese neue Freiheit, das Wissen um die neue ,,Substanz’’, die uns geschenkt wurde, hat sich nicht nur im Martyrium gezeigt, in dem Menschen der Allmacht der Ideologie und ihrer politischen Organe widerstanden und so mit ihrem Tod die Welt erneuert haben. Sie hat sich vor allem in den großen Verzichten von den Mönchen des Altertums hin zu Franz von Assisi und zu den Menschen unserer Zeit gezeigt, die in den neuzeitlichen Ordensbewegungen für Christus alles gelassen haben, um Menschen den Glauben und die Liebe Christi zu bringen, um körperlich und seelisch leidenden Menschen beizustehen. Da hat sich die neue ,,Substanz’’ wirklich als ,,Substanz’’ bewährt, ist aus der Hoffnung dieser von Christus berührten Menschen Hoffnung für andere geworden, die im Dunkel und ohne Hoffnung lebten. Da hat sich gezeigt, daß dieses neue Leben wirklich ,,Substanz’’ hat und ,,Substanz’’ ist, die anderen Leben schafft. Für uns, die wir auf diese Gestalten hinschauen, ist dieses ihr Tun und Leben in der Tat ein ,,Beweis’’, daß das Kommende, die Verheißung Christi, nicht nur Erwartung, sondern wirkliche Gegenwart ist: daß er wirklich der ,,Philosoph’’ und der ,,Hirte’’ ist, der uns zeigt, was und wo Leben ist.
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Re: Franz‘ Kapelle
10. Kapitel des Hebräer-Briefs. Es handelt sich um die Worte hypomone (10, 36) und hypostole (10, 39). Hypomone wird gewöhnlich mit ,,Geduld’’ übersetzt – Ausdauer, Standhalten. Dieses Wartenkönnen im geduldigen Ertragen der Prüfung ist notwendig für den Gläubigen, damit er ,,das verheißene Gut erlangt’’ (10, 36). In der frühjüdischen Frömmigkeit ist dieses Wort ausdrücklich für das Warten auf Gott verwendet worden, das für Israel charakteristisch ist: für dieses Aushalten bei Gott von der Gewißheit des Bundes her in einer Welt, die Gott widerspricht. Es bezeichnet so gelebte Hoffnung, Leben aus der Hoffnungsgewißheit heraus. Im Neuen Testament gewinnt dieses Warten auf Gott, dieses Stehen zu Gott eine neue Bedeutung: Gott hat sich in Christus gezeigt. Er hat uns schon die ,,Substanz’’ des Kommenden mitgeteilt, und so erhält das Warten auf Gott eine neue Gewißheit. Es ist Warten auf Kommendes von einer schon geschenkten Gegenwart her. Es ist Warten in der Gegenwart Christi, mit dem gegenwärtigen Christus auf das Ganzwerden seines Leibes, auf sein endgültiges Kommen hin. Mit Hypostole hingegen ist das Sich-Zurückziehen gemeint, das nicht wagt, offen und frei die vielleicht gefährliche Wahrheit zu sagen. Dieses Sich-Verstecken vor den Menschen aus dem Geist der Menschenfurcht heraus führt zum ,,Verderben’’ (Hebr 10, 39). ,,Gott hat uns nicht den Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit’’ – so charakterisiert demgegenüber der Zweite Timotheus-Brief (1, 7) mit einem schönen Wort die Grundhaltung des Christenmenschen.
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Re: Franz‘ Kapelle
Beispiel Kirchenvater Ambrosius bei der Grabrede für seinen heimgegangenen Bruder Satyrus: ,,Der Tod gehörte zwar nicht zur Natur, aber er ist zu Natur geworden. Gott hat ihn nicht von Anfang an vorgesehen, sondern hat ihn als Heilmittel geschenkt [...] Der Übertretung wegen ist das Leben des Menschen von der täglichen Mühsal und von unerträglichem Jammer gezeichnet und so erbärmlich geworden. Ein Ende der Übel mußte gesetzt werden, damit der Tod wiederherstelle, was das Leben verloren hat. Unsterblichkeit wäre mehr Last als Gabe, wenn nicht die Gnade hineinleuchten würde’’.6 Vorher schon hatte Ambrosius gesagt: ,,Der Tod ist nicht zu beklagen, er ist Ursache für das Heil...’’.7
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Re: Franz‘ Kapelle
Was immer der heilige Ambrosius mit diesen Worten genau sagen wollte – wahr ist, daß die Abschaffung des Todes oder auch sein praktisch unbegrenztes Hinausschieben die Erde und die Menschheit in einen unmöglichen Zustand versetzen und auch dem einzelnen selber keine Wohltat erweisen würde. Offenbar gibt es da einen Widerspruch in unserer Haltung, der auf eine innere Widersprüchlichkeit unserer Existenz selbst verweist. Einerseits wollen wir nicht sterben, will vor allem auch der andere, der uns gut ist, nicht, daß wir sterben. Aber andererseits möchten wir doch auch nicht endlos so weiterexistieren, und auch die Erde ist dafür nicht geschaffen. Was wollen wir also eigentlich? Diese Paradoxie unserer eigenen Haltung löst eine tiefere Frage aus: Was ist das eigentlich ,,Leben’’? Und was bedeutet das eigentlich ,,Ewigkeit’’? Es gibt Augenblicke, in denen wir plötzlich spüren: Ja, das wäre es eigentlich – das wahre ,,Leben’’ – so müßte es sein.
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Re: Franz‘ Kapelle
Augustinus hat in seinem an Proba, eine reiche römische Witwe und Mutter dreier Konsuln, gerichteten großen Brief über das Gebet einmal gesagt: Eigentlich wollen wir doch nur eines – ,,das glückliche Leben’’, das Leben, das einfach Leben, einfach ,,Glück’’ ist. Um gar nichts anderes beten wir im letzten. Zu nichts anderem sind wir unterwegs – nur um das eine geht es. Aber Augustin sagt dann auch: Genau besehen wissen wir gar nicht, wonach wir uns eigentlich sehnen, was wir eigentlich möchten. Wir kennen es gar nicht; selbst solche Augenblicke, in denen wir es zu berühren meinen, erreichen es nicht wirklich. ,,Wir wissen nicht, was wir bitten sollen’’, wiederholt er ein Wort des heiligen Paulus (Röm 8, 26). Wir wissen nur: Das ist es nicht. Im Nichtwissen wissen wir doch, daß es sein muß. ,,Es gibt da, um es so auszudrücken, eine gewisse wissende Unwissenheit’’ (docta ignorantia), schreibt er. Wir wissen nicht, was wir wirklich möchten; wir kennen dieses ,,eigentliche Leben’’ nicht; und dennoch wissen wir, daß es etwas geben muß, das wir nicht kennen und auf das hin es uns drängt.
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Re: Franz‘ Kapelle
Augustinus beschreibt sehr genau und immer noch gültig die wesentliche Situation des Menschen, von der her all seine Widersprüche und seine Hoffnungen kommen. Wir möchten irgendwie das Leben selbst, das eigentliche, das dann auch nicht vom Tod berührt wird; aber zugleich kennen wir das nicht, wonach es uns drängt. Wir können nicht aufhören, uns danach auszustrecken, und wissen doch, daß alles das, was wir erfahren oder realisieren können, dies nicht ist, wonach wir verlangen. Dies Unbekannte ist die eigentliche ,,Hoffnung’’, die uns treibt, und ihr Unbekanntsein ist zugleich der Grund aller Verzweiflungen wie aller positiven und aller zerstörerischen Anläufe auf die richtige Welt, den richtigen Menschen zu. Das Wort ,,ewiges Leben’’ versucht, diesem unbekannt Bekannten einen Namen zu geben.
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