Franz‘ Kapelle
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Re: Franz‘ Kapelle
Zum Thema ihrer "Weihnachtsgnade", die ihr als ein Geschenk des reinen Erbarmens erschien, fügt sie hinzu: Viele Seelen sagen: "Aber ich habe nicht die Kraft, dieses Opfer zu bringen". Mögen sie doch tun, was ich getan habe - eine große Anstrengung machen! (IGL 156).
Sie unterstreicht das Wort Jesu, wonach man nicht in das Himmelreich kommen kann, wenn man "Herr! Herr!" sagt, sondern wenn man "den Willen Gottes tut" (C 231), aber sie beharrt auch gern auf der Hauptrolle, die dabei der "gute Wille" spielt (A 96).
Therese von Lisieux
Sie unterstreicht das Wort Jesu, wonach man nicht in das Himmelreich kommen kann, wenn man "Herr! Herr!" sagt, sondern wenn man "den Willen Gottes tut" (C 231), aber sie beharrt auch gern auf der Hauptrolle, die dabei der "gute Wille" spielt (A 96).
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Re: Franz‘ Kapelle
Das Paradoxon ist zumindest teilweise gelöst, wenn wir Thérèses Wertskala näher analysieren. Der echte, der wesentliche Wert einer Handlung besteht in der Liebe und nicht in ihrer äußeren Wichtigkeit. Die Liebe verleiht allem Größe; ohne Liebe ist die größte Tat in den Augen Gottes nur klein.
Ich begriff, schreibt Thérèse, daß ohne die Liebe alle Werke ein Nichts sind, selbst die aufsehenerregendsten, wie die Auferweckung der Toten und die Bekehrung der Völker (A 179/180).
Ich begriff, schreibt Thérèse, daß ohne die Liebe alle Werke ein Nichts sind, selbst die aufsehenerregendsten, wie die Auferweckung der Toten und die Bekehrung der Völker (A 179/180).
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Re: Franz‘ Kapelle
Nicht der Wert, nicht einmal die offensichtliche Heiligkeit einer Handlung zählen, sondern nur die Liebe, die darin liegt (MST 77/78).
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Re: Franz‘ Kapelle
Hinzu kommt, dass diese Liebe vor allem auf der positiven Ausrichtung und Gesinnung des Herzens beruht, im Willen, etwas Gutes zu tun, selbst wenn die Tat nicht zu ihrer vollen Entfaltung kommen kann. Die Aktivität der Liebe fällt nicht unbedingt mit der vollständigen Ausführung einer Handlung zusammen. Auch wenn die Tat nicht zur Vollendung gelangt, so kann an ihrem Ausgangspunkt doch viel Liebe vorhanden gewesen sein. Recht oft heißt die Tat der Liebe dann nur ehrliches Bemühen, Versuch, guter Wille, der unermüdlich immer wieder von neuem beginnt: Zeuge für die Unzulänglichkeit, aber auch wirklicher Träger der Liebe und der Appell an die Barmherzigkeit Gottes.
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Re: Franz‘ Kapelle
Wenn Thérèse die "Werke" relativiert, so hat sie für gewöhnlich alles vor Augen, was groß und bemerkenswert, glänzend ist, alles was in die Augen sticht, was sie so gern mit dem Ausdruck "auffallend" (éclatant) bezeichnet. Sie hütet sich vor jeder großartigen körperlichen Abtötung und weist jeden Wunsch nach außerordentlichen mystischen Phänomenen von sich. Das paßt nicht zu den "kleinen Seelen", sagt sie, das ist für einen anderen als ihren "kleinen Weg" bestimmt. Sie zieht die Reinheit und die Uneigennützigkeit des Glaubens vor: Es ist so schön, in der Nacht der Prüfungen dem lieben Gott zu dienen. Wir haben doch nur dieses eine Dasein, um aus dem Glauben zu leben! ... (MST 170).
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Re: Franz‘ Kapelle
Nun verstehen wir besser, warum Thérèse versucht, sich in ihrer Treue in der Liebe auf die zahlreichen, gewöhnlichen und alltäglichen kleinen Dinge zu konzentrieren, die im Leben eines jeden vorkommen, - ohne dass sie damit allerdings - und das ist ganz offensichtlich - den Weg des geringsten Widerstandes anpreisen will. Der Heroismus wird nicht abgeschafft, sondern in die gewohnte Situation jedes einzelnen übertragen. Der Sturzbach der Liebe wird hineingelenkt in das alltägliche Leben.
Als Thérèse im Manuskript B darlegt, wie sie alle Berufungen der Liebe verwirklichen will, erstellt sie eine Art Arbeitsplan: Ja, mein Viel-Geliebter, auf diese Weise wird sich mein Leben verzehren... Ich habe kein anderes Mittel, um Dir meine Liebe zu beweisen, als Blumen zu streuen, das heißt, ich will mir kein einziges kleines Opfer entgehen lassen, keinen Blick, kein Wort, will die geringfügigsten Handlungen benutzen und sie aus Liebe tun... Aus Liebe will ich leiden und aus Liebe sogar mich freuen, und so werde ich Blumen vor Deinen Thron streuen; nicht eine will ich antreffen, ohne sie für Dich zu entblättern... Blumen streuend werde ich singen (wie könnte man auch bei einer so fröhlichen Beschäftigung weinen?); singen werde ich, auch wenn ich meine Blumen mitten aus Dornen pflücken muss, und mein Gesang wird umso wohlklingender sein, je länger und spitzer die Dornen sind (B 203).
Therese von Lisieux
Als Thérèse im Manuskript B darlegt, wie sie alle Berufungen der Liebe verwirklichen will, erstellt sie eine Art Arbeitsplan: Ja, mein Viel-Geliebter, auf diese Weise wird sich mein Leben verzehren... Ich habe kein anderes Mittel, um Dir meine Liebe zu beweisen, als Blumen zu streuen, das heißt, ich will mir kein einziges kleines Opfer entgehen lassen, keinen Blick, kein Wort, will die geringfügigsten Handlungen benutzen und sie aus Liebe tun... Aus Liebe will ich leiden und aus Liebe sogar mich freuen, und so werde ich Blumen vor Deinen Thron streuen; nicht eine will ich antreffen, ohne sie für Dich zu entblättern... Blumen streuend werde ich singen (wie könnte man auch bei einer so fröhlichen Beschäftigung weinen?); singen werde ich, auch wenn ich meine Blumen mitten aus Dornen pflücken muss, und mein Gesang wird umso wohlklingender sein, je länger und spitzer die Dornen sind (B 203).
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Re: Franz‘ Kapelle
Alle kleinen Dinge also!
"Zarte Blütenblätter von keinerlei Wert" (B 203)! "Kleinigkeiten": ein kleines Opfer, ein Blick, ein Wort, ein Lächeln ... Aber welcher Hauch absoluter Treue durchweht diese Seiten: "alles" nützen, sich "keine" Gelegenheit entgehen lassen ... Kein Leistungsstreben, allein die Liebe belebt ihre Radikalität: "für Dich", "aus Liebe" (dreimal!). Deshalb ist dies ein Programm voller Freude, eine Freude, die selbst im Leiden nicht vergeht! Aber es ist nur ein Programm, eine Richtung und eine Aufgabe, und Thérèse gesteht, dass sie nur ein "schwacher kleiner Vogel" ist, ein "unvollkommenes kleines Geschöpf", das sich von Zeit zu Zeit von "seiner einzigen Beschäftigung ablenken läßt" und um seine kleinen "Missetaten" und "Treulosigkeiten" (B 205/206) weiß. Ein Geschöpf aber, das immer wieder zurückkommt: mit diesem wunderbaren guten Willen! Im Vertrauen auf die wunderbare Barmherzigkeit Gottes!
Therese von Lisieux
"Zarte Blütenblätter von keinerlei Wert" (B 203)! "Kleinigkeiten": ein kleines Opfer, ein Blick, ein Wort, ein Lächeln ... Aber welcher Hauch absoluter Treue durchweht diese Seiten: "alles" nützen, sich "keine" Gelegenheit entgehen lassen ... Kein Leistungsstreben, allein die Liebe belebt ihre Radikalität: "für Dich", "aus Liebe" (dreimal!). Deshalb ist dies ein Programm voller Freude, eine Freude, die selbst im Leiden nicht vergeht! Aber es ist nur ein Programm, eine Richtung und eine Aufgabe, und Thérèse gesteht, dass sie nur ein "schwacher kleiner Vogel" ist, ein "unvollkommenes kleines Geschöpf", das sich von Zeit zu Zeit von "seiner einzigen Beschäftigung ablenken läßt" und um seine kleinen "Missetaten" und "Treulosigkeiten" (B 205/206) weiß. Ein Geschöpf aber, das immer wieder zurückkommt: mit diesem wunderbaren guten Willen! Im Vertrauen auf die wunderbare Barmherzigkeit Gottes!
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Re: Franz‘ Kapelle
Gleichnis von Rabindranath Tagore
Über die Liebe
Ich ging bettelnd von Tür zu Tür auf der Dorfstraße, als wie ein ferner Traum Deine goldene Kutsche auftauchte, und ganz erstaunt fragte ich mich, wer der König der Könige sein könnte.
Meine Erwartung steigerte sich, ich dachte, dass meine schweren Tage nun ein Ende hätten, und mit den Augen suchte ich einen Blick auf die Geschenke werfen zu können, die, ohne dass man um sie gebeten hatte, gegeben und die Reichtümer, die rings umher in den Staub gestreut würden.
Die Kutsche blieb bei mir stehen. Dein Blick ist auf mich gefallen, und Du bist mit einem Lächeln herabgestiegen. Das Glück meines Lebens war nun endlich gekommen.
Da hast Du plötzlich die rechte Hand gehoben und hast gesagt: "Was hast du mir zu geben?"
Ach, das war ein Scherz des Königs, wie Du Deine hilfreiche Rechte einem Bettler geöffnet hingehalten hast. Verwirrt und unschlüssig nahm ich langsam ein kleines, ein ganz kleines Weizenkorn aus meinem Beutel und gab es Dir.
Aber wie groß war meine Überraschung, als ich am Ende des Tages meinen Beutel auf den Boden leerte und unter all dem armseligen Zeug ein kleines, ein ganz kleines Weizenkorn aus Gold fand. Ich weinte bitter, und ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, Dir alles zu geben, was ich hatte (Rabindranath Tagore, Chants sacrés, "L'Offrande lyrique").
Über die Liebe
Ich ging bettelnd von Tür zu Tür auf der Dorfstraße, als wie ein ferner Traum Deine goldene Kutsche auftauchte, und ganz erstaunt fragte ich mich, wer der König der Könige sein könnte.
Meine Erwartung steigerte sich, ich dachte, dass meine schweren Tage nun ein Ende hätten, und mit den Augen suchte ich einen Blick auf die Geschenke werfen zu können, die, ohne dass man um sie gebeten hatte, gegeben und die Reichtümer, die rings umher in den Staub gestreut würden.
Die Kutsche blieb bei mir stehen. Dein Blick ist auf mich gefallen, und Du bist mit einem Lächeln herabgestiegen. Das Glück meines Lebens war nun endlich gekommen.
Da hast Du plötzlich die rechte Hand gehoben und hast gesagt: "Was hast du mir zu geben?"
Ach, das war ein Scherz des Königs, wie Du Deine hilfreiche Rechte einem Bettler geöffnet hingehalten hast. Verwirrt und unschlüssig nahm ich langsam ein kleines, ein ganz kleines Weizenkorn aus meinem Beutel und gab es Dir.
Aber wie groß war meine Überraschung, als ich am Ende des Tages meinen Beutel auf den Boden leerte und unter all dem armseligen Zeug ein kleines, ein ganz kleines Weizenkorn aus Gold fand. Ich weinte bitter, und ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, Dir alles zu geben, was ich hatte (Rabindranath Tagore, Chants sacrés, "L'Offrande lyrique").
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Re: Franz‘ Kapelle
Werke oder Vertrauen?
Thérèse bietet uns hier ein sehr schönes Gleichgewicht an.
Wir lieben soviel, wie wir können, wir versuchen, es durch unsere Werke zu zeigen, aber da uns dies in unserem Unvermögen nicht so gelingt, wie wir möchten, vertrauen wir uns dem unendlich Barmherzigen an. Innerhalb des Bereiches, den unsere Liebe - Geschenk Gottes an unsere verantwortliche Freiheit - tatsächlich zu erreichen fähig ist, muss sie sich bemühen, diese in Taten umzusetzen. Wenn diese Gabe in uns wächst, muss sie erneut ihre Echtheit durch eine entsprechende Treue im Umfeld des konkreten Lebens zeigen. Ohne diese Treue zu dem, was der viel-geliebte Herr von uns fordert, wird das Vertrauen in seiner Spontaneität eingebremst.
Thérèse bietet uns hier ein sehr schönes Gleichgewicht an.
Wir lieben soviel, wie wir können, wir versuchen, es durch unsere Werke zu zeigen, aber da uns dies in unserem Unvermögen nicht so gelingt, wie wir möchten, vertrauen wir uns dem unendlich Barmherzigen an. Innerhalb des Bereiches, den unsere Liebe - Geschenk Gottes an unsere verantwortliche Freiheit - tatsächlich zu erreichen fähig ist, muss sie sich bemühen, diese in Taten umzusetzen. Wenn diese Gabe in uns wächst, muss sie erneut ihre Echtheit durch eine entsprechende Treue im Umfeld des konkreten Lebens zeigen. Ohne diese Treue zu dem, was der viel-geliebte Herr von uns fordert, wird das Vertrauen in seiner Spontaneität eingebremst.
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Re: Franz‘ Kapelle
Bei allem, was Thérèse bezüglich der Werke schreibt, ist sie sorgfältig darauf bedacht, alle Ehre der Barmherzigkeit Gottes zu erweisen.
Aus diesem Grund relativiert sie ihren eigenen Beitrag. Einer ihrer Novizinnen erklärt Thérèse, dass ihr kleiner Weg nichts anderes ist, als das Alles und das Nichts des heiligen Johannes vom Kreuz: Auf dem Weg des Nichts kommt man zum Alles. Hinaufklettern? Gott will, dass Sie hinuntersteigen! Etwas erreichen? Sagen Sie eher, verlieren! (MST 38). Sie hoffen ständig, etwas zu erreichen. Sie sind erstaunt, dass Sie fallen. Man muss immer darauf gefaßt sein, zu fallen (MST 43).
Aus diesem Grund relativiert sie ihren eigenen Beitrag. Einer ihrer Novizinnen erklärt Thérèse, dass ihr kleiner Weg nichts anderes ist, als das Alles und das Nichts des heiligen Johannes vom Kreuz: Auf dem Weg des Nichts kommt man zum Alles. Hinaufklettern? Gott will, dass Sie hinuntersteigen! Etwas erreichen? Sagen Sie eher, verlieren! (MST 38). Sie hoffen ständig, etwas zu erreichen. Sie sind erstaunt, dass Sie fallen. Man muss immer darauf gefaßt sein, zu fallen (MST 43).
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